Artic  – Das Kulteis in Israel
Artic – Das Kulteis in Israel
Dr. Viola Heilman

Tiefbraun gebrannt und schwitzend stapft ein Mann in einem bunten Hawaii-Hemd und Shorts barfuß zwischen Badeschönheiten und muskelgestählten Männern durch den Sand am Strand von Tel Aviv. Um die Schulter hat er eine riesige Kühltasche und ruft aus vollem Hals „Artic... Glida Artic“. Hin und wieder bleibt er bei einer Sonnenanbeterin stehen und holt aus seiner Kühltasche ein kleines Eis am Stiel, das er zu völlig überhöhten Preisen verkauft.

Die Geschichte israelischer Eiscreme ist die Geschichte von Artic mit seiner cremigen Textur und seinem erfrischenden Geschmack. Eis nimmt in der lebendigen kulinarischen Landschaft Israels einen besonderen Platz ein und fasziniert Einheimische und Besucher gleichermaßen mit seinen vielfältigen Geschmacksrichtungen und innovativen Kreationen. Schließlich haben Israelis weltweit fast den gröten Eiskonsum. Unter den vielen renommierten Eismarken in Israel sticht ein Name hervor: Artic.

 

Die Geschichte der ethnischen Gruppen reicht weit in der Geschichte Israels zurück und wurde von den Migrationsmustern und historischen Ereignissen beeinflusst, die die Region geprägt haben. Die israelische Bevölkerung ist äußerst vielfältig und besteht aus Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln wie aschkenasischen und sephardischen Juden, Äthiopiern, Jemeniten, Arabern unterschiedlichster Herkunft und vielen anderen. Nach Schätzungen leben in Israel Menschen aus über 90 Herkunftsländern. Jede Gruppe hat ihre Bräuche, religiöse Praktiken, Sprachen und kulinarische Traditionen mitgebracht und trägt so zum lebendigen Geflecht der israelischen Gesellschaft bei. Arabische Israelis, die etwa 20 % der Bevölkerung ausmachen, sind ein integraler Bestandteil des ethnischen Gefüges der Nation. Zu einer bemerkenswerten ethnischen Gemeinschaft in Israel gehören die Drusen, eine religiöse muslimische Minderheit, die für ihre Loyalität gegenüber dem Staat bekannt ist. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaften von Tscherkessen, Samaritern, Armeniern und anderen, die jeweils ihre einzigartigen Bräuche und Traditionen zum vielfältigen Mosaik Israels beitragen.

Die ethnische Vielfalt Israels stellt auch Herausforderungen dar und erfordert kontinuierliche Bemühungen, um gleiche Rechte, Chancen und den sozialen Zusammenhalt für alle Gemeinschaften zu gewährleisten. Israel verfügt über Gesetze und Richtlinien zum Schutz der Rechte seiner Minderheiten, einschließlich Gesetzen, die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder des Geschlechts verbieten. Israel ist auch stolz darauf, die Vielfalt seiner Bürger zu feiern. Das Land ist immer wieder Gastgeber zahlreicher Kulturfestivals, bei denen verschiedene ethnische Gruppen ihre Traditionen, Künste und ihre Musik präsentieren. Diese lebendige Darstellung kulturellen Ausdrucks fördert Verständnis, Wertschätzung und Einheit unter Israelis unterschiedlicher Herkunft. Sprache spielt eine wichtige Rolle bei der Überbrückung von Gräben und der Förderung von Inklusion. Die  Förderung des zweisprachigen Unterrichts, bei dem sowohl Hebräisch als auch Arabisch unterrichtet wird, trägt zu einem besseren Verständnis und einer besseren Kommunikation zwischen jüdischen und arabischen Gemeinschaften bei.

Die jüdische Bevölkerung in Israel besteht aus verschiedenen ethnischen Untergruppen. Aschkenasische Juden sind europäischer Abstammung und stammten ursprünglich aus Mittel- und Osteuropa, darunter Länder wie Russland, Polen und Deutschland. Aschkenasische Juden hatte eine bedeutende Rolle bei der anfänglichen Gestaltung der intellektuellen, wissenschaftlichen und kulturellen Landschaft Israels, vor allem während der Fluchtbewegungen durch die Verfolgung während des Nationalsozialismus. Viele aschkenasische Juden brachten eine reiche Bildungs- und Wissenschaftstradition mit, die zu Fortschritten in Bereichen wie Technologie, Medizin, Literatur und Kunst führte.

 

 

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Die Anfänge des israelischen Eises gehen auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, als jüdische Einwanderer aus der ganzen Welt ankamen und ihre kulinarischen Traditionen und Geschmäcker mitbrachten. Die erste kommerzielle Eisproduktion in Israel begann in den 1930er Jahren und richtete sich hauptsächlich an die lokale Bevölkerung. Die Eiscremeindustrie ist im Laufe der Jahre stetig gewachsen und im ganzen Land entstanden kleine handwerkliche Eisdielen und -hersteller. Diese Betriebe stellten ihre gefrorenen Leckereien in Handarbeit nach traditionellen Rezepten jüdischer Gemeinden aus der ganzen Welt her und boten so der israelischen Eisszene eine reichhaltige Auswahl an Eissorten.

Eine besonders erfolgreiche Wendung nahm die Eiscremeproduktion Israels nach der Staatsgründung in den 1950er Jahren mit dem legendären Softeis am Stiel. Das Eis am Stiel wurde durch Zufall 1905 von einem 11-jährigen amerikanischen Jungen erfunden, der in der Nähe von San Francisco lebte. Frank Epperson mischte mit einem Holzlöffel etwas zuckerhaltiges Limonadenpulver mit Wasser und ließ das Getränk über Nacht bei Minusgraden zufällig draußen stehen. Am Morgen konnte Epperson die gefrorene Mischung mit Hilfe des Holzlöffels wie einen Lutscher genießen. Er nannte es „Epsicle“, ein Kunstwort aus Eiszapfen (engl. Icicle) und seinem Namen. Frank Epperson beschloss die neue Eisidee in seiner Nachbarschaft zu verkaufen, und weil er damit Erfolg hatte, konnte er im Jahr 1923 den Verkauf über seine Nachbarschaft ausweiten. 1924 meldete er ein Patent für seine Limonade am Stiel an, das als „Popsicle“ (Übers. „Eis am Stiel“) bekannt wurde.

Der belgische Hersteller Artic etablierte sich mit der aus Amerika kommenden Eisspezialität „Popsicle“ auf dem israelischen Markt. Das Artic-Eis am Stiel war besonders cremig und mit einer Schicht Schokolade überzogen. 1951 wurde das Eis mit staatlicher Unterstützung in einer Fabrik in Bat Yam hergestellt, nachdem die israelischen Eigentümer die Rechte, die Ausrüstung und das Know-how der belgischen Marke Artic erwarben. Im israelischen Nationalarchiv wird das nach Vanille schmeckende Eis als weicher weißer Eiscremeblock am Stiel beschrieben, mit einer Größe von etwa 3 x 3 x 8 cm. Auf der Verpackung aus Aluminiumfolie befanden sich diagonale silberne und blaue Streifen, einige Eisbären und die Aufschrift „Artic“. Das Eis kostete damals 15 Grush, was viel Geld war. Mit seiner außergewöhnlichen Geschmacksvielfalt eroberte Artic die Herzen und Gaumen der Israelis und wurde zu einer angesehenen nationalen Marke. Das Unternehmen erweiterte bald seine Aktivitäten in Tel Aviv und baute ein Netzwerk von Eisdielen im ganzen Land auf, um die köstlichen Kreationen von Artic allen im Land zugänglich zu machen.

Hinter dem Erfolg von Artic stand nicht nur das Bekenntnis zur Qualität, sondern auch ständige Innovation. Die Marke führte eine Vielzahl einzigartiger, bisher unbekannter, Geschmacksrichtungen ein, die das breite Spektrum an Vorlieben der Kunden ansprachen. Von beliebten Sorten, wie Schokolade, Vanille und Erdbeere bis hin zu abenteuerlichen Sorten wie Halva, Datteln und Safran bot Artic für jeden etwas. Bekannt war die Marke auch für ihre fantasievollen Kreationen, wie zum Beispiel die Kombination von Eiscreme mit traditionellen nahöstlichen Süßigkeiten wie Baklava oder die überraschende Kombination von Meersalzkaramell mit Pistazien.

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Obwohl 1953 mit Kartiv aus Petach Tiqua ein weiteres Eiscremeunternehmen in Konkurrenz zu Artic gegründet wurde, fusionierten die beiden Unternehmen schließlich einige Jahre später. Diese Fusion mit Artic-Kartiv führte zu einem ikonischen Eisdessert, eigentlich einem Eiscremesandwich, namens „Casata“. Dies bedeutete für das neue Unternehmen ein neues Erfolgsniveau. Die Eisverkäufer an den israelischen Stränden riefen von nun an „Artic, Kartiv.... Casata“.

Aber wie immer wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Im Jahr 1961 durchsuchte die Polizei die Fabriken und Büros des Unternehmens Artic-Kartiv und deckte dabei den damals größten Steuerhinterziehungsskandal in der Geschichte Israels auf. Vier Unternehmensleiter erhielten Geld- und kurze Haftstrafen. Von diesem Skandal hat sich Artic-Kartiv nie mehr erholt. Durch die steigende Zahl israelischer Eiscremehersteller, die innovative Eiskreationen auf den Markt brachten, hatte Artic-Kartiv mit immer größeren Problemen zu kämpfen, bis das Unternehmen 1971 schließlich unter einem beeindruckenden Schuldenberg zusammenbrach. Dennoch findet man die Marke auch heute noch in den Regalen israelischer Supermärkte, während aber die Begriffe „Artic“, „Kartiv“ und „Casata“ für immer in der israelischen Populärkultur verwurzelt sind.

Die von Artic begonnene Kreation ungewöhnlicher Geschmacksrichtungen setzt sich bis heute in der israelischen Eiscremeindustrie fort und wird von den Kunden gut angenommen.

Hummus-Eis, Mozzarella mit Basilikum, Orange und Olivenölsalz, Popcorn und Arak sind sehr beliebte Sorten. Zu den besonders ausgefallenen Geschmacksrichtungen gehören das Labaneh-Zataar-Eis, das hauptsächlich aus dickem, hausgemachtem Käse und kräftigen Kräutern besteht, und nicht zu vergessen, Bamba, das aus Erdnusslocken hergestellt wird. Oft werden dem Eis Pistazien oder Sesamkörner beigefügt, um ihm eine zusätzliche Textur zu verleihen. Eisdielen, wie „Anita“, bieten mehr als 150 verschiedene Geschmacksrichtungen, die sowohl süß, als auch salzig sind. Aber auch Tel Aviv’s „Arte“ und „Shfaram Ice Cream“ zählen zu den besten Gourmet-Eisdielen in Israel.

Die wilden und verrückten Eissorten sind eines der bestgehüteten Geheimnisse des Landes. Für diejenigen, die reines Vanille-Eis oder kräftiges Eis mit Limoncello-Geschmack lieben, ist Israels Eiscreme-Szene genau das Richtige, denn die Eishersteller beherrschen das Handwerk einzigartiger Eissorten.

Die Geschichte des israelischen Eises ist ein Beweis für die kulturelle Verschmelzung und kulinarische Kreativität, die die Nation ausmachen. Mit seiner reichen Tradition und seinem Engagement für Qualität hat Artic eine bedeutende Rolle bei der Gestaltung der israelischen Eiscremelandschaft gespielt, und viele, jetzt ältere Israelis erinnern sich gerne an die Tage, als die Eisverkäufer zu Israels Stränden dazugehörten, wie das Klak-Klak der Matkot Spieler. Obwohl es Artic-Kartiv schon lange nicht mehr gibt, verwenden israelische Kinder weiterhin die Namen Artic und Kartiv als Bezeichnung für Eis am Stiel. Während sich die israelische Eiscreme immer weiter entwickelt, bleibt Artic ein Leuchtturm der Exzellenz.

 

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